Uran – ein unverzichtbarer Rohstoff

Unbeachtet von den Anlegermassen hat sich der Uranpreis in den letzten Jahren vervielfacht. Die nukleare Renaissance steht auf solidem Fundament und dürfte sich fortsetzen. Kernenergie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der grünen Transformation und wird durch die Nachhaltigkeitsbrille – selbst von Skeptikern – mittlerweile etwas nüchterner betrachtet. Ob Kernenergie gar das ultimative ESG-Investment ist, muss jeder Anleger für sich beurteilen. An Anlagemöglichkeiten mangelt es inzwischen indes nicht mehr.

 

Ein wenig beachteter Bullenmarkt

Der globale Finanzmarkt ist tief, breit und durchaus unübersichtlich. Dies lässt Raum für Entwicklungen, die von der Masse der Anleger lange Zeit unentdeckt bleiben. In einer solchen Nische hat sich der Preis von Uran seit 2017 in etwa verfünffacht. Bei Preisen knapp oberhalb von 100 US-Dollar markierte das silberglänzende Schwermetall zu Jahresbeginn den höchsten Stand seit 16 Jahren. Von einem (unentdeckten) Bullenmarkt zu sprechen ist diesem Fall für einmal keine Übertreibung. Dieser ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Überlebensfähigkeit der Uranindustrie nach der Katastrophe von Fukushima Anfang 2011 mehr als fragwürdig war. Damals wurden zwischenzeitlich rund ein Drittel aller Kernreaktoren heruntergefahren. Infolge einer anhaltenden Angebotsflut kollabierte der Uranpreis in den Folgejahren um 70%. Inflationsbereinigt befindet sich der Preis für Uran noch immer deutlich unter dem Allzeithoch aus dem Jahr 2007. Dennoch kann man sowohl preistechnisch als auch mit Blick auf den Ruf der Kernenergie von einer „nuklearen Renaissance“ reden.

 

Nuklearer Trend… | …mit Luft nach oben

Uranpreis

Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank

 

Kernenergie ist wieder en vogue
Tatsächlich haben sich die Nachfrageperspektiven für Uran in den letzten Jahren erheblich aufgehellt. Der fundamentale Wandel geht dabei Hand in Hand mit einem Stimmungswandel. Kernenergie wird nicht länger stigmatisiert, sondern stattdessen zunehmend als entscheidende Lösung betrachtet – zum einen für den Übergang zu einer saubereren Energiezukunft, zum anderen für die Wahrung nationaler Sicherheitsinteressen. Letzteres ist in vielen Ländern spätestens mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ganz oben auf der Bedenken- und Prioritätenliste. Selbst in der Taxonomie der Europäischen Union gelten einige Kernenergieaktivitäten seit 2022 neu als nachhaltig. Viele Länder haben in den vergangenen Jahren betreffend Kernenergie eine Kehrtwende vollzogen (USA, Südkorea, Belgien, Finnland), in ihrem pro-nuklearen Kurs nachgedoppelt (Frankreich, Grossbritannien, Niederlande) oder erwägen erstmals diese Technologie zukünftig zu nutzen (Polen, Südafrika, Indonesien, Vietnam). Selbst Japan hat seine betriebsbereiten Kernreaktoren wieder ans Netz gebracht. Deutschland bleibt in dieser Aufzählung eine – die Regel bestätigende – Ausnahme.

 

Starkes Commitment | Die nukleare Renaissance hat begonnen

Globale Stromerzeugung mittels Kernenergie in TWh

Quellen: IEA, Kaiser Partner Privatbank

 

Weiteren Auftrieb erhielt die Kernenergie im Dezember letzten Jahres bei den COP28 der Vereinten Nationen in Dubai. Dort erklärten mehr als 20 Länder (u.a. USA, Frankreich, Japan, Kanada, Grossbritannien) ihre Absicht die globalen Kernenergie-Kapazitäten bis zum Jahr 2050 zu verdreifachen. Die Konsequenz dieser Erklärung, welche noch ambitionierter ist als die Netto-Null-Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA), ist eindeutig: Es bedarf in den nächsten Jahren enormer Investitionen in die Kernenergie. Zur Erreichung des Netto-Null-Ziels rechnet die IEA im Zeitraum 2026 bis 2030 mit einem Investitionsbedarf von 125 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Rally des Uranpreises verliert vor diesem Hintergrund an vermeintlich spekulativer Natur, vielmehr bekommt sie ein solides Fundament. Die grosse Frage lautet inzwischen nicht mehr, ob Kernenergie ausgebaut werden soll, sondern ob dies schnell genug geschehen kann.

 

„Can we do it“? | Massiver Investitionsbedarf

Jährliche Investitionen in Kernenergie (im Netto-Null-Szenario) in Milliarden US-Dollar

Quellen: IEA, Kaiser Partner Privatbank

 

Eine Reihe von Missverständnissen?

Der Wind hat also klar zu Gunsten der Kernenergie gedreht. Dennoch ist die öffentliche Meinung zu diesem an sich etablierten Energieträger noch immer geteilt. In grösseren Teilen der Bevölkerung wird er beispielsweise für ähnlich gefährlich gehalten wie Kohle. Die Ursache dieser schlechten Wahrnehmung sind vor allem Fehlinformation und/oder gänzlich fehlende Kommunikation über die verschiedenen Aspekte der Technologie, nicht aber belastbare Fakten. Ängste vor einem Atomunfall sind zwar verständlich, jedoch grösstenteils überzogen. Zum einen sind es rare „Tail-Risk“-Events, zum anderen werden ihre Konsequenzen in Bezug auf Verletzungen und Todesfolgen überschätzt. Mit Ausnahme von Tschernobyl gab es bei den Vorfällen in Three Mile Island (1979) oder Fukushima Daiichi (2011) keine Opfer und nur minimale radiologische Auswirkungen. Eine weniger bekannte Tatsache hinsichtlich Tschernobyls ist auch, dass das Kernkraftwerk nach dem Unfall noch für 14 Jahre in Betrieb blieb, bis es auf politischen Druck der Europäischen Union hin im Jahr 2000 endgültig abgeschaltet wurde. Nicht zuletzt, weil man aus früheren Fehlern gelernt hat, ist das Risiko einer Katastrophe heutzutage geringer als je zuvor. Das Bild von Homer Simpson als unbekümmertem Sicherheitsinspektor im Kernkraftwerk von Springfield könnte der Realität nicht ferner sein. In der Tat ist die Sicherheitsbilanz der Kernenergie exzellent, insbesondere wenn man die Luftverschmutzung durch Treibhausgasemissionen mit einbezieht. Die grösste Gefahr geht in dieser Rechnung von der Kohle aus. Kernenergie ist derweil gleich nach der Windkraft die CO2-ärmste Form der Energiegewinnung.

 

Anders als gedacht? | Kernenergie ist wenig gefährlich und CO2-arm

Sicherheit und Emissionen

Quellen: BCA Research, Kaiser Partner Privatbank

 

Trotz ihrer Sicherheit und „Sauberkeit“ stand die Kernenergie in den letzten zwei Jahrzehnten im Schatten ihrer grünen Konkurrenz. Diese verzeichnete ausserordentliche Wachstumsraten – nicht zuletzt dank starker politischer Unterstützung, an der es der Kernenergie mangelte. Doch die Erzählung von den Guten (Wind und Solar) und dem Bösewicht (Kernenergie) war noch nie wirklich glaubwürdig oder objektiv. Denn die Kernenergie ist in mehreren Belangen überlegen. Sie ist nicht nur sicher und CO2-arm, sondern auch skalierbar und grundlastfähig (kontinuierlich verfügbar). Zudem ist sie höchst effizient und hat mit 93% den mit Abstand höchsten Kapazitätsfaktor aller Technologien. Kernkraftwerke produzieren Strom somit fast durchgängig nahe ihrem maximalen Potential.

 

Kernenergie übertrumpft andere Energiequellen | 3-facher Vorteil gegenüber Wind und Solar

Kapazitätsfaktor

Quellen: US Energy Information Administration (EIA), Kaiser Partner Privatbank

 

Ein weiterer Vorteil der Kernenergie ist ihr verhältnismässig geringerer Ressourcenbedarf. Pro Einheit produzierten Stroms benötigt sie über den gesamten Lebenszyklus (deutlich) weniger Beton, Stahl und Metalle. Wie man es auch dreht und wendet: In der Gesamtbetrachtung ist Kernenergie jeder anderen existierenden Technologie überlegen.

 

Kernenergie ist weniger ressourcenintensiv | Wind und Solar sind gar nicht so „grün“

Materialbedarf in Tonnen/TWh

Quellen: BP Statistical Energy Outlook, Kaiser Partner Privatbank

 

Kernenergie-freundliche Megatrends

In der Diskussion um den optimalen künftigen Energiemix kehrt daher immer mehr Pragmatismus ein. Dabei sind nicht allein nur geopolitische Überlegungen im Spiel. Beispielsweise muss China auch deshalb massiv in die Kernenergie investieren, weil der Kohleausstieg bzw. die Umstellung auf Wind und Solar anders gar nicht gelingen kann. Und schliesslich ist es auch einfach der weiterhin massiv ansteigende Energiebedarf, der die Kernenergie zu einem Trendthema macht. So schätzt die IEA, dass die globale Stromproduktion bis Ende des Jahrzehnts um 25% zunehmen und sich bis 2050 gar verdoppeln wird.

 

Energiehungrig | Der weltweite Strombedarf steigt stetig

Jährliche globale Stromerzeugung in tausend TWh

Quellen: IEA, Kaiser Partner Privatbank

 

Drei Megatrends tragen zum wachsenden Energiehunger der Welt bei: Künstliche Intelligenz (KI), Elektromobilität und das Re- und Nearshoring. Im Falle der KI sind v.a. die Rechenzentren als Stromfresser zu bezeichnen. Ihr Energiebedarf und die mit dem Betrieb einhergehenden Kohlendioxidemissionen werden in den kommenden Jahren rasant ansteigen. Im Jahr 2030 dürften Rechenzentren bereits 13% des gesamten Strombedarfs und 6% des weltweiten CO2-Ausstosses ausmachen. Kernenergie wird bei der Bewältigung dieses dualen Problems zwingend nötig sein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die grossen Technologieunternehmen mehr oder weniger ambitionierte Netto-Null-Ziele erreichen wollen. 

Bei der Elektromobilität sind Dekarbonisierungsziele ebenfalls ein treibender Faktor – die meisten Industrieländer haben im Zeitraum 2030-2040 das gesetzliche Aus für das Verbrenner-Auto fixiert. Die IEA schätzt, dass die globale Elektroflotte bis 2035 auf 480 Millionen Fahrzeuge anwachsen und dann 30% des gesamten Bestands ausmachen wird. Dabei werden neben PKWs zunehmend auch leichte Nutzfahrzeuge, Busse und schwere Elektro-Trucks eine Rolle spielen. Der Gesamtenergiebedarf der Elektromobilität dürfte bis dahin um den Faktor 17x steigen. Allerdings ist jedes Elektrofahrzeug nur so sauber wie die Energiequelle, mit der es gespeist wurde. Auch der Aufbau riesiger Chipfabriken im Rahmen des amerikanischen und europäischen Re- und Nearshorings bedarf schliesslich dauerhaft verfügbaren und möglichst sauberen Stroms. Und spricht – einmal mehr – für die Kernenergie, die im Gegensatz zu Wind und Solar Tag und Nacht verfügbar ist.

 

Strukturelles Angebotsdefizit

Die gestiegene Akzeptanz gegenüber der Kernenergie widerspiegelt sich nicht allein in Lippenbekenntnissen, sondern auch in harten Fakten. Nahezu 500 Kernkraftwerke befinden sich momentan in verschiedenen Phasen der Entwicklung. Die Nettoanzahl an in Betrieb befindlichen Reaktoren wird in den kommenden Jahren beständig steigen – auch weil viele Kraftwerke länger als ursprünglich vorgesehen laufen dürften. Die Nachfrage nach Uran wird somit ebenfalls zunehmen. Die World Nuclear Association erwartet bis 2030 einen Anstieg der Urannachfrage um 30%, bis 2040 gar mehr als eine Verdopplung. Das bei vielen Rohstoffen vorhandene Risiko, dass hohe/steigende Preise zügig zu einem Nachfrageeinbruch führen und sich praktisch selbst beschränken, ist im Falle von Uran weniger akut. Dessen Nachfrage ist nämlich höchst preisunelastisch. Während die Kosten für den Bau von Kernreaktoren beträchtlich sind, sind die Kosten für ihren Betrieb relativ niedrig. Tatsächlich machen die Kosten für den fertigen Brennstoffs nur etwa 5-10% der Betriebskosten eines Kraftwerks aus.

 

Wachsende Kraftwerksflotte… | …dürfte die Urannachfrage antreiben

Bestehende und geplante Kernreaktoren 

Quellen: WNA, Kaiser Partner Privatbank

 

Der stetig steigenden Nachfrage gegenüber steht ein kaum wachsendes und zudem (auch aus geopolitischen Gründen) instabiles Uranangebot. Der Markt befindet sich in einem permanenten Defizit, welches in den nächsten Jahren kontinuierlich wachsen dürfte. Die Uranlagerbestände, welche nach dem Unfall in Fukushima bis 2016 deutlich gestiegen waren, sind in den letzten Jahren bereits sukzessive abgebaut worden. Selbst das inzwischen wieder deutlich erhöhte Niveau des Uranpreises gibt aber noch nicht genügend Anreiz für eine wesentliche Produktionsausweitung. Infolge hoher Kosteninflation liegt der Breakeven für ein gewinnbringendes neues Minenprojekt auf der grünen Wiese bei einem Uranpreis von rund 100 US-Dollar. Um signifikantes Kapital für neue Projekte zu mobilisieren wären dauerhaft hohe Preise über diesem Level nötig. Und selbst dann würde es 10-15 Jahre dauern bis neue Uranminen und die nötigen Anreicherungsanlagen in Betrieb gehen könnten. Das Ergebnis der simplen Angebots-Nachfrage-Analyse ist schlicht: Der Uran-Bullenmarkt dürfte erst bei deutlich höheren Preisen und weit in der Zukunft ein Ende finden.

 

Ein wachsendes Defizit | Brennstoff für einen steigenden Uranpreis

Angebots-Nachfrage-Prognose in Millionen lb (pound)

Quellen: Alpine Macro, Kaiser Partner Privatbank

 

Den Bullenmarkt spielen oder abseitsstehen?

Wer an der Uran-Story partizipieren möchte, dem bieten sich heutzutage zusehends mehr Möglichkeiten. Zwar kann man Uran nicht wie Gold oder Silber im Schliessfach deponieren. Ein direktes Exposure zum Schwermetall lässt sich aber über Futures-Terminkontrakte aufbauen – allerdings mit hohem administrativen Aufwand. Eine leichter umsetzbare Alternative ist die Investition in geschlossene Fonds (z.B. Sprott Physical Uranium Trust) oder Unternehmen (Yellow Cake), die Uran am Spotmarkt aufkaufen, es einlagern und auf höhere Preise wetten. Diese Vehikel haben in den letzten Jahren bereits knapp 90 Millionen lb (pound) Uran akkumuliert, was rund 50% der weltweiten jährlichen Nachfrage entspricht.

Man sollte Schaufeln verkaufen, wenn die Leute nach Gold graben… Eine weitere Variante sind daher ETFs (u.a. Global X Uranium ETF, VanEck Uranium and Nuclear Technologies UCITS ETF), welche die gesamte Produktionskette der Kernenergie abdecken und u.a. Minenunternehmen und Hersteller von nuklearen Anlagekomponenten beinhalten. Solche Themen-ETFs könnten in den kommenden Quartalen nicht zuletzt aufgrund der Anpassungen bei der Taxonomie weiteren Auftrieb erhalten. Ob Kernenergie mit Blick auf die Herausforderungen der grünen Transformation gar das ultimative ESG-Investment ist, muss jeder Anleger für sich beurteilen. Dass die Kernenergie eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung unseres Planeten spielen muss, ist allerdings kaum noch von der Hand zu weisen. Selbst von Skeptikern wird sie durch die Nachhaltigkeitsbrille daher zusehends etwas nüchterner betrachtet.

 

Fundamental im Aufwind | Ein nachhaltige Wette?

Anlagevehikel für Uran

Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank

 

Oliver Hackel, CFA Senior Investment Strategist

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